“Hardware light”

Dieses Interview mit Thomas Poreski MdL wurde geführt von Thomas Bär, Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes des Maler- und Lackiererhandwerks Baden-Württemberg am 15. März 2019 in Stuttgart. Herzlichen Dank an Thomas Bär, dass wir es hier veröffentlichen können! Los geht’s:

Vor genau zwei Jahren, im Frühjahr 2017, gab Herr Poreski im Interview mit Herrn Bär Auskunft über das doch recht undurchsichtige Thema “Luftschadstoffe und drohende Fahrverbote”, insbesondere im Stuttgarter Talkessel. Kennengelernt hatten sich Herr Poreski und Herr Bär beim Fraktionsgespräch der Grünen mit dem Baden-Württembergischen Handwerkstag und Herr Bär hat Herrn Poreski als unideologischen und an Lösungen interessierten Abgeordneten kennengelernt.

Genau zwei Jahre später ist das Thema Fahrverbote für Dieselfahrzeuge akuter denn je. Euro 4-Diesel sind bereits mit Fahrverboten belegt, über Euro 5 wird diskutiert und es bildet sich inzwischen auch eine massive Anti-Fahrverbot-Bewegung heraus, die man etwas flapsig wohl als  “Stuttgarter Gelb-Westen-Protest” bezeichnen könnte.

Anlässlich dieser Gemengelage trafen sich Herr Poreski und Herr Bär Mitte März im Haus der Abgeordneten, um den Sachstand sowohl was die Fahrverbotsdiskussion angeht, als auch im Bereich der fotokatalytisch wirksamen Fassadenfarben, die Herr Poreski unterstützt, zu besprechen.

Bär: Herr Poreski, die Fragen und Antworten, die wir ja letztlich in der April-Ausgabe 2017 unter dem Titel “Es geht um Stickoxide!” abgedruckt haben, lesen sich als wären sie vor zwei Monaten geschrieben, nämlich dass Sie die Softwarenachrüstung in Kombination mit der punktuellen Nachrüstung von Hardware-Komponenten propagieren. Nur dass Sie begrifflich dies inzwischen als “Hardware light”-Variante bezeichnen.

Poreski: Das stimmt. Die Diskussion ist seit dem Frühjahr 2017 bei weitem nicht so schnell vorangegangen, wie ich gehofft hatte. Neue Erkenntnisse gibt es sehr wohl, beispielsweise hat sich in der Zwischenzeit meine Prognose, dass wir für unter 500 Euro so gut wie alle Euro 5-Diesel massiv beim Stickoxid-Ausstoß verbessern können, erhärtet. Die Kosten für die Hardware betragen ca. 200 Euro pro Fahrzeug, die Softwareänderung muss die Herstellerfirma liefern und mit Lohn- und Einbaukosten bleiben wir unter 500 Euro.

Bär: Warum hängen Sie so sehr an der Hardware light-Lösung und schwenken nicht auf die inzwischen doch von vielen als wünschenswert bezeichnete Hardware-Nachrüstung mit Harnstoffeinspritzung usw. um?

Poreski: Die komplette Umrüstung mit Hardware, also Harnstoffeinspritzung und allen damit verbundenen Eingriffen – auch die zusätzliche mechanische Belastung beispielsweise der Auspuffanlage – ist oft problematisch. Wir sind weit davon entfernt, hier Massen an Fahrzeugen umrüsten zu können und dies brauchen wir, um eine Verbesserung der Luft zu erreichen. Die Kapazität der Ausrüster ist begrenzt, Personalkapazitäten in den Kfz-Werkstätten, die das einbauen müssten sind ein Engpass und für die Anbieter von dieser Lösung, die es in der Tat für einzelne Modelle gibt, ist es natürlich wirtschaftlich nicht allzu interessant, für eine einzige kurze Verkaufsphase riesige Investitionen zu tätigen.

Bär: Ist die Hardware light-Lösung denn wirklich überzeugend? Immerhin haben Sie eine ganze Weile gebraucht, auch die Kollegen der eigenen Fraktion zu überzeugen.

Poreski: Wenn man sich die neuen, sehr sauberen 6 D Temp-Diesel anschaut, haben die Hersteller fast genau die Veränderungen vorgenommen, die ich seit zwei Jahren propagiere! Die Motoren sind meist die gleichen wie bei den vorherigen Euro-Schadstoffklassen, allerdings mit diesen Verifikationen. Wir wissen also, dass es funktioniert und Schadstoffe drastisch reduziert.

Bär: Wie viel Verbesserung prognostizieren Sie denn konkret?

Poreski: Ich komme mit meinem, von unabhängigen Experten unterstützten Vorschlag auf Verbesserungen um die 60 % gegenüber dem Ausgangswert, also dem real existierenden Diesel. Das reicht rechnerisch überall, um die Grenzwerte zu unterschreiten und sämtliche Fahrverbote zu vermeiden – sogar für die Euro 4-Diesel.

Bär: Benzin vs. Diesel: Erklären Sie doch bitte meinen Lesern, wieso eine Verkäuferin mit ihrem VW Golf 1,6 TDi Baujahr 2010 mit einem Durchschnittsverbrauch von 4,5 l Diesel nicht in die Innenstadt fahren darf, während ein Cayenne S Baujahr 2017 mit 480 PS Benziner, der ca. 16 l im Stadtverkehr braucht, dies darf. Wer soll so etwas verstehen?

Poreski: In der energiepolitischen Gesamtbetrachtung und klimapolitisch haben Sie natürlich recht: Viel Verbrennung bedeutet viel Abgas und viel CO2! Wenn wir aber die Aufgabe haben, uns auf gesunde Luft in Innenstädten zu konzentrieren, sieht das eben anders aus. Dort kann ein mit einwandfreier Abgasreinigung ausgestatteter Bolide, der tatsächlich viel mehr Sprit verbrennt, dennoch sehr viel weniger Gift ausstoßen als ein zwar sparsames, aber technisch veraltetes Modell.

Das heißt nicht, dass ich für spritschluckende SUVs Werbung mache, ganz im Gegenteil, aber am Ausstoß von Giftstoffen, wie z.B. Stickoxid, haben Benziner in der Tat bei der innerstädtischen Betrachtung einen verschwindend geringen Anteil.

Bär: Was sagen Sie eigentlich zu den derzeitigen “Stuttgarter Gelb-Westen”-Protesten?

Poreski: Es sind sehr unterschiedliche Menschen mit sehr unterschiedlichen Motiven, die sich daran beteiligen. Es gibt dort Scharfmacher, welche diese Proteste für ihre eigenen politischen Dinge missbrauchen wollen und es gibt Menschen, die einfach ein ernsthaftes Anliegen haben und sauer sind, dass sie die Fehler und Lügen anderer jetzt ausbaden sollen. Ich will nicht, dass die, welche im guten Glauben einen Diesel gekauft haben, jetzt die Zeche zahlen sollen. Das hat auch sehr viel mit Wertverlust des Fahrzeugs zu tun! Deswegen mache ich mich stark für das Modell “pragmatische Lösung”, das ich eingangs skizziert habe. Damit machen wir die Fahrzeugflotte insgesamt sauberer und haben damit die Lösung, die wir brauchen, um die Fahrverbote zu vermeiden UND die Luft so sauber zu bekommen, wie es nun einmal vorgeschrieben ist und von den Gerichten nicht zu Unrecht gefordert wird.

Bär: Sehr geehrter Herr Poreski, haben Sie einmal mehr herzlichen Dank dafür, dass Sie für dieses Interview zur Verfügung standen und für Ihre kritische Begleitung und Unterstützung bei unserer Aktion “Der kleine Beitrag – Fotokatalytische Fassadenfarben zur NOx-Verminderung”.

Zur Vollständigkeit: Handwerkerfahrzeuge gleich welcher Euro-Norm sind – Stand heute und bis auf Weiteres – von Fahrverboten ohne Antrag und ohne Ausnahmegenehmigung ausgenommen!

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