Solidarität mit Corona-Heldinnen und Helden – auch nach der Krise!

Rede im Landtag zur aktuellen Debatte am 07.05.2020

In der Coronakrise zeigt sich, worauf es ankommt: auf gesellschaftlichen Zusammenhalt, auf Solidarität, auf Humanität – und auf verlässliche Strukturen.

Dass wir verhältnismäßig gut durch die Krise kommen, haben wir in besonderer Weise denjenigen zu verdanken, deren Arbeit oft übersehen oder geringgeschätzt wird. Beispielsweise den Beschäftigten in der Pflege, im Gesundheitssystem, in der Behindertenhilfe, in der Jugendhilfe, in der Kita-Notbetreuung, in der Logistik und im Einzelhandel – Menschen, die jetzt unser Land am Laufen halten und dafür oft viel zu schlecht bezahlt werden. Gleiches gilt für Lastwagenfahrer*innen, Erntehelfer*innen,
Kassierer*innen und Reinigungskräfte.

Sie sind systemrelevant – wie auch viele andere Bereiche: Rettungsdienste, Polizei und Feuerwehr, Bundeswehr, Forschungseinrichtungen, Medizinproduktehersteller oder die zahlreichen Krisenstäbe, in den Kommunen und nicht zuletzt in den Ministerien.

Ihnen allen schulden wir nicht nur Dank, sondern auch ein Versprechen für die Zukunft:

Anerkennung, Gleichberechtigung, bessere Arbeitsbedingungen und oft auch bessere Löhne.

Es spricht alles dafür, jetzt damit zu beginnen. Deshalb begrüße ich die heutige Debatte ausdrücklich. Menschen in der Pflege und im Gesundheitswesen haben in den letzten Wochen großes geleistet – auch unter Inkaufnahme von Gesundheitsgefährdungen. Ich erinnere nur an den hohen Anteil des medizinischen Personals bei den Neuinfektionen!

Deshalb ist es gut, dass jetzt, im Zusammenspiel mit dem Bund, eine steuerfreie Coronaprämie von 1500 Euro in der Altenpflege vereinbart wurde, an der sich das Land mit einem Drittel beteiligt. In diesem Arbeitsfeld wird es auf absehbare Zeiten noch besondere Belastungen durch Corona-Infektionen und Schutzmaßnahmen geben. Ich teile – wie auch mein Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz – die Auffassung, dass damit Ähnliches für andere betroffene Personengruppen nicht ausgeschlossen werden darf – etwa in der Krankenpflege oder der Eingliederungshilfe, in der Kita-Notbetreuung oder in der Arbeit mit psychisch Kranken. Wir sind offen für eine entsprechende Ausweitung. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, es bringt wenig, wenn Sie dies hier im Landtag oder vor der Presse fordern. Ihre beiden Parteien stellen die Bundesregierung. Es braucht eine konkrete Ansprache Ihrerseits an Ihre Bundesebene, an den Genossen Olaf und an den zuständigen Minister Jens Spahn. Sonst bleiben Ihre Forderungen Symbolpolitik.

Einmalzahlungen sind gut. Entscheidend sind aber nachhaltige Verbesserungen: Verlässlich greifende Tarifverträge, wirksame Mindestlöhne, eine verlässliche Personalberechnung im Gesundheitswesen statt statistisch ermittelter Mindeststandards, der Schutz der Beschäftigten vor Infektionen und vor Überlastungssituationen. Dazu eine weiter verbesserte Ausstattung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, der Gewerbeaufsicht und des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Solidarisch finanziert, für uns Grüne verbunden mit einer Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege.

Wir dürfen in dieser existenziellen Krise viele Held*innen des Alltags erleben. Ich möchte neben den schon erwähnten einige besonders hervorheben:

Etwa die niedergelassenen Ärzt*innen und ihr Personal. Denn für viele Menschen, die sich krank fühlten, waren sie die erste Anlaufstation.

Altenpfleger*innen haben nicht nur ihren Job gemacht. Sie waren für viele Heimbewohner*innen lange die einzigen sozialen Kontakte, und sie haben unter enormem Druck auch diese Rolle herausragend erfüllt.

Beschäftigte in der Behindertenhilfe und Jugendhilfe hatten ohne ausreichende Schutzausrüstung direkten Menschenkontakt – denn wir konnten im Land anfangs nur den Mangel verwalten.

Menschen im öffentlichen Dienst waren freiwillig am Wochenende auf Streife, um die Einhaltung der Maßnahmen zu überwachen – wo sie zum Teil körperlich angegriffen wurden.

Eltern, verschärft Alleinerziehende, müssen Haushalt, Homeoffice und Homeschooling unter einen Hut bringen – und teilweise ihren Jahresurlaub und Zeit darüber hinaus opfern.

Ehrenamtliche haben in der Nachbarschaftshilfe Einkäufe für gefährdete Menschen übernommen.

Studierende halfen in Krankenhäusern oder arbeiten freiwillig bei Krisenhotlines mit.

Führungskräfte in Unternehmen haben dem Land ihre Solidarität angeboten und bei der Beschaffung und Produktion von Schutzausrüstung sowie bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln mit angepackt.

Reinigungskräfte fuhren und fahren Doppelschichten, um Orte zu desinfizieren.

Wir sagen: Die Dankbarkeit, die wir diesen Menschen schulden, muss auch für die Zeit nach Corona gelten!

Zu denen, die besondere Opfer bringen mussten und müssen, zählen zweifellos Kinder und Jugendliche.  Mit einer starken Einschränkung sozialer Kontakte – Kinder brauchen Kinder -, in beengten und teilweise prekären Verhältnissen, ohne das kostenlose Mittagessen in der Schule oder der Kita, mit dem Fehlen von stützenden Strukturen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit – damit haben und hatten sehr viele von ihnen zu kämpfen. Deshalb ist es gut, dass Schulen, Kitas und andere Angebote nun, nach den Kriterien des Infektionsschutzes, Schritt für Schritt wieder geöffnet werden. Viele Kinder und Jugendliche verkraften die besonderen Belastungen relativ gut, andere nicht. Etwa 20 Prozent der Schüler*innen werden beim Homeschooling nicht erreicht. Die Gewaltambulanz Heidelberg geht infolge der Kontaktbeschränkungen von einer Verdreifachung bei den Kindesmisshandlungen aus.

Deshalb ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die in dieser besonderen Situation Zivilcourage zeigen und eigenverantwortlich alle Handlungsmöglichkeiten ausschöpfen:

Ich rede von Schulsozialarbeiter*innen, die täglich mit Schüler*innen über soziale Medien Kontakt aufnehmen, um sie zu stützen und frühzeitig auch Hilfen anzubieten. Ganz niederschwellig im Sinne von: Fällt Dir schon die Decke auf den Kopf? Sollen wir uns mal treffen?

Ich denke an Ehrenamtliche, die mit Unterstützung ihrer Kommune oder des Landkreises die freien Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket einsetzen, um benachteiligten Kindern zu einem kostenlosen Mittagessen zu verhelfen.

Und ich habe größte Hochachtung vor der Sozialamtsleiterin und dem Jugendamtsleiter, die den Fachkräften in den Kitas und in den Schulen vertrauen – und für die eines ganz klar ist: Wenn ein Erzieher oder eine Lehrerin meldet „Ich mache mir um ein Kind Sorgen“, dann kommt dieses Kind ganz selbstverständlich in die Notbetreuung, in mutiger und kreativer Auslegung der Vorschriften.

Sie alle sind Heldinnen und Helden des Alltags. Wir brauchen noch viel mehr von ihnen, denn sie haben verstanden: Freiheit ist nicht mit dem Recht des Stärkeren zu verwechseln. Nachhaltige Freiheit gibt es nur, wenn wir auf die Verletzlichsten in dieser Gesellschaft schauen, wenn wir kein Kind zurücklassen.

Dass diese Erkenntnis über den Tag hinaus Bestand hat, ist nicht selbstverständlich. Wir stehen in vieler Hinsicht an einer Wegscheide. Schreiben wir alte Probleme fort und erzeugen dadurch neue? Wir hören schon die Stimmen, die Klimaschutz wieder als Luxusproblem diffamieren.

Wir sagen jedoch: Nur mit einer beherzten Zivilgesellschaft, nur wenn aus Bekenntnissen Wirklichkeit wird, nur wenn wir mutig und besonnen handeln, werden wir nach der aktuellen Krise auch andere große Herausforderungen bewältigen – allen voran die Klimakrise, die sich eben nicht wegimpfen lässt.

Machen wir uns ehrlich: Die Robustheit von Wirtschaft, Gesundheits- und Sozialsystemen und der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen sind kein Widerspruch. Sie sind fest miteinander verbunden.

Verwandte Artikel