Bewerbungsrede 2015

Liebe Freundinnen und Freunde,

wer hätte das gedacht? Vor fünf Jahren habt Ihr mich zum Kandidaten für die Landtagswahl 2011 nominiert. Wir waren voller Hoffnung, aber alles andere als sicher, dass es für uns nach 10 Jahren ohne Vertretung im Landtag für ein Mandat in Stuttgart reichen würde. Es wurde nicht nur im Land, sondern auch hier bei uns viel mehr daraus: Wir haben das Mandat erobert, wurden erstmals zweite Kraft – im stärksten SPD-Wahlkreis in Südwürttemberg, obwohl die SPD ihren Spitzenkandidaten hier aufgestellt hatte. Wir haben sogar nicht nur nach Stimmen, sondern auch nach Prozenten das grüne Ergebnis in Ulm erstmals übertroffen – nachdem die Ulmer ein Jahrzehnt lang immer vor uns lagen und gerade noch ein Mandat erobert hatten.

Meinen Wahlkreis 60 (Reutlingen, Pfullingen, Pliezhausen, Wannweil, Walddorfhäslach, Kirchentellinsfurt, Kusterdingen, Dußlingen, Gomaringen, Nehren) bereise ich überwiegend mit dem Fahrrad – ein guter Ausgleich zum massiven Stress. Anders ist es mit meinem Betreuungswahlkreis 61 (Metzingen, Münsingen, Eningen, Lichtenstein, Engstingen, Trochtelfingen, Zwiefalten, Albstadt…), den ich überwiegend mit dem Auto beackere. Auch dies tue ich leidenschaftlich gern, denn ich möchte dazu beitragen, dass wir Grüne auch dort ein Mandat erobern können.

Von der grünen Landtagsfraktion bin ich zum sozialpolitischen Sprecher gewählt worden, ressortübergreifend zuständig für die Themen Kinder, Jugend, Familie, Armut/Reichtum, Inklusion und bürgerschaftliches Engagement. Parlamentarisch eingebunden bin ich als Mitglied im Sozial-, im Bildungs- und im Integrationsausschuss, sowie als Stellvertreter im Umwelt-, im Wissenschafts- und im Ständigen Ausschuss. Seit einigen Monaten setze ich mich als gewähltes Mitglied der Pflege-Enquetekommission des Landtages mit zukunftsweisenden Politikstrategien für eine alternde Gesellschaft auseinander.
Den Koalitionsvertrag in der Sozialpolitik habe ich mitverhandelt, und sehr vieles, was wir uns hier für diese Wahlperiode vorgenommen haben, haben wir auch auf den Weg gebracht. Das gilt zum Beispiel für die Gesetze, für die ich federführend war, allen voran das Landesbehindertengleichstellungsgesetz – das als das beste bundesweit gilt.
Wir stehen als Sozialpolitiker_innen in der Fraktion für ein sehr spezifisch grünes sozialpolitisches Profil, das auch bei denen, die mit Sozialpolitik lange gefremdelt haben, inzwischen Respekt und Anerkennung gefunden hat. Grüne Sozialpolitik zeichnet sich dadurch aus, dass sie weniger ordnungsrechtlich und auf Vorschriften fixiert ist – die braucht es zwar gelegentlich auch, aber eben nur hilfsweise. Unser Schwerpunkt liegt auf der Verwirklichung von Beteiligungs- und Bürger_innenrechten, auf der Stärkung von Benachteiligten – Stichwort „Empowerment“ -, auf Verbraucher_innen- und Beratungsrechten, dem Ermöglichen von Selbstbestimmung, Eigeninitiative sowie auf Transparenz und fairen Spielregeln. Das ist – trotz zum Teil massiven Widerstands seitens der Ministerialbürokratie und nicht selten auch beim Koalitionspartner – nicht nur beim Landesbehindertengleichstellungsgesetz gelungen, sondern auch beim Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz, beim Psychisch-Kranken-Hilfegesetz und bei den von mir durchgesetzten Beteiligungsrechten für Kinder und Jugendliche in der reformierten Gemeindeordnung. Ebenso in landesweiten Projekten wie dem Inklusionssport – hier habe ich für eine Koordinationsstelle beim Landesbehindertenbeauftragten Gerd Weimer gesorgt und bin mittlerweile außerdem Vizepräsident der Special Olympics Baden-Württemberg. Mit einer ebenfalls von mir initiierten landesweiten Ombudschaft in der Jugendhilfe wollen wir in diesem für viele Kinder existenziellen Politikbereich ihre Rechte wahren und eine landesweite Beratungsstruktur, ein Beschwerdemanagement und – als Korrektur der Teufelschen Verwaltungsreform – die Fachaufsicht gewährleisten. Kinderrechte sollen endlich Verfassungsrang bekommen.
Soziale Gerechtigkeit ist für mich unverändert ein Antrieb meines Engagements. Deshalb habe ich den ersten Armuts- und Reichtumsbericht des Landes mit durchgesetzt. Ich vertrete im Beirat und bei der Umsetzung die grüne Landtagsfraktion. In diesem Zusammenhang bin ich weiterhin eine Triebfeder des Landesarbeitsmarktprogramms, damit auch Benachteiligte eine Chance auf faire und diskriminierungsfreie Teilhabe erhalten.

Wir haben als größere Regierungsfraktion in Stuttgart gezeigt, dass wir unser einst durchgefärbt schwarzes Land erfolgreich begrünen können. Nicht weil wir es den Bürgerinnen und Bürgern aufzwingen, sondern weil sie Geschmack an der Politik des Gehörtwerdens gefunden haben und weil sie mit grünen Werten und Zielen zunehmend übereinstimmen. Nach der jüngsten Umfrage hat unser Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine Zustimmungsrate von überwältigenden 72 Prozent. Das liegt nicht nur an seiner Persönlichkeit, die ein Glücksfall für unser Land und für uns Grüne ist. Sondern es gibt auch eine inhaltliche Basis dafür: 63 Prozent sind mit der Politik der Landesregierung zufrieden oder gar sehr zufrieden.

Zufrieden sind sie auch deshalb, weil sie anerkennen, dass wir neben der Schaffung einer neuen Beteiligungskultur auch Probleme aufgreifen, die so komplex und zum Teil widersprüchlich sind, dass es nahezu unmöglich ist, „alles richtig“ zu machen. Etwa in der Bildung: Wer es nicht erlebt hat, kann sich nur ansatzweise vorstellen, was es bedeutet, das Kultusministerium regieren zu wollen – es ist über weite Strecken noch immer im Widerstand. So wurde die Schulgesetznovelle zur Inklusion, in der ich am Ende die meisten grünen Kernforderungen durchsetzen konnte, „vom Apparat“ mehr als zwei Jahre lang ausgebremst.
Mein Eindruck ist aber, dass sich die schulpolitische Diskussion im Ländle allmählich beruhigt. Dazu trägt nicht zuletzt bei, dass wir als grüne Bildungspolitiker_innen in allen Wahlkreisen sowie in unzähligen Schulen und Vernetzungsterminen Präsenz zeigen und zuhören, aufklären und diskutieren. Das dringt langsam durch, auch wenn die Bildung damit noch kein „Gewinnerthema“ wird – was sie übrigens in keinem Bundesland ist. Aber vieles kommt doch zunehmend bei der Bevölkerung an:

– Die landesweit über 270, oft eindrucksvoll erfolgreichen Gemeinschaftsschulen, in unserem Wahlkreis in Reutlingen, Walddorfhäslach, Kirchentellinsfurt, Pliezhausen und Dußlingen.

– Es wird anerkannt, dass unsere Idee eines zweigliedrigen allgemeinbildenden Schulsystems ab der 5. Klasse Sinn ergibt. Nur so lassen sich alle Bildungsabschlüsse in zumutbarer Entfernung ermöglichen. In unserem Wahlkreis ist die regionale Schulentwicklung weit gediehen, Korrekturen werden ohne Brüche möglich. Wir haben also, nach Jahrzehnten der Verunsicherung und des Niedergangs, gute Aussichten auf Verlässlichkeit und Qualität.

– Auch das Thema schulische Inklusion ist bei uns weiter als anderswo: Während landesweit eine Inklusionsquote von 28 Prozent im Jahr 2023 erwartet wird, werden in unserem Schulamtsbezirk heute schon rund 50 Prozent aller Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf inklusiv in allgemeinbildenden Schulen beschult. Diese Erfahrungen sowie die neuen Möglichkeiten und die zusätzlichen Ressourcen im Schulgesetz werden nicht nur bei uns eine organische und unaufgeregte Entwicklung ermöglichen.

Für die kommende Wahlperiode sind wir Grüne bildungspolitisch gut aufgestellt: Ich habe für unseren Schulamtsbezirk einen Modellversuch zur Ressourcensteuerung durchgesetzt, der auf einem von mir mit drei grünen Bildungspolitikern entwickelten Konzept basiert und der das Chaos des noch von Schwarz-Gelb stammenden „Organisationserlasses“ beenden wird. Die neue Ressourcensteuerung wird die Lehrer_innenstellen gerechter verteilen und endlich für eine gute Krankheitsvertretung sorgen.
Bei den Gymnasien wollen wir im Wahlprogramm das „Abitur im eigenen Takt“ verankern, also die Möglichkeit einer flexiblen Oberstufe in zwei oder drei Jahren. Dieses Modell des Mössinger Firstwaldgymnasiums ist eine Alternative zu der starren Diskussion um G8 und G9 und hat aufgrund seiner pädagogischen Qualität den Deutschen Schulpreis erhalten.

Im Bereich der frühkindlichen Bildung hat Grün-Rot im mengenmäßigen Ausbau Enormes geleistet. Die Qualität hat dabei nicht immer mitgehalten. Dies landesweit gezielt zu ändern wird ein grünes Markenzeichen.

Als Abgeordnete einer grünen Regierungsfraktion sind wir nicht nur in unseren jeweiligen Zuständigkeiten und Fachthemen gefragt, sondern in allen Politikbereichen. Das ist manchmal herausfordernd, denn wir müssen uns sehr schnell einlesen, Expertisen gezielt abrufen und verinnerlichen. Das macht mir bei aller Anstrengung auch viel Freude. Denn viele Initiativen von der Basis und aus unserer Region habe ich dabei intensiv unterstützen oder sogar in unserem Sinne wenden können – von Förderungen für die Entwicklung des ländlichen Raums und im Biosphärengebiet bis hin zur massiven Verbesserung der Kulturförderung in unserer Region.
Bei der Breite der zu bearbeitenden Themen hilft mir, dass ich eine Ader für „grüne Technik“ habe und ehrenamtlich Aufsichtsrat in einer Genossenschaft für erneuerbare Energien bin – ein Bereich, in dem wir gegenüber massivem konservativem Widerstand in der Fläche erst langsam die dicken Bretter durchbohren. Engagiert bin ich auch für die Regionalstadtbahn, denn Verkehrspolitik ist immer und überall ein kontroverses Thema. Deshalb habe ich mich auch dort gerne eingebracht und beispielsweise in Ohmenhausen mithilfe unserer grünen Staatssekretärin Gisela Splett und unserer Bezirksbürgermeisterin Heide Schnitzer gegenüber dem Regierungspräsidium die landesweit erste durchgehende Tempo 30-Zone auf einer durch eine Ortschaft führende Landesstraße durchgesetzt.

Unser Land ist offener, menschlicher und ökologisch sensibler geworden. Das geht nicht ohne Reibung, etwa beim Einsatz für eine menschliche Asylpolitik oder für eine offene und tolerante Gesellschaft – in der Vielfalt als Chance gesehen wird, ohne dass dabei einer Beliebigkeit das Wort geredet wird. Denn unsere Politik basiert auf grünen Werten wie den Menschen- und Bürger_innenrechten sowie individueller Freiheit in Verbindung mit sozialer und ökologischer Gerechtigkeit.

Vieles, was wir in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht haben, ist erst ein Anfang. Denn wir mussten zum Teil mit einer widerständigen Bürokratie kämpfen, und oft haben wir – von der Windkraft bis zur Inklusion – zwar wichtige Wegmarken gesetzt, aber den größten Teil der Strecke noch vor uns. Noch ist der Wandel an vielen Stellen umkehrbar. Deshalb arbeiten wir umso energischer an einem nachhaltigen, ökologisch-sozialen und wirtschaftlich erfolgreichen Baden-Württemberg!

Ich freue mich und bin dankbar, dass mir dabei mein Mitarbeiterinnenteam mit Susanne Häcker im Wahlkreis, Natalie Pavlovic und Patricia Battke Stuttgart gerne, engagiert und qualifiziert zur Seite steht. Gemeinsam haben wir, vernetzt mit Kolleg_innen, grünen Ministerien und dem Landesbehindertenbeauftragten, bei vielen Bürger_innenanfragen innerhalb und außerhalb meines Wahlkreisen weiterhelfen und dabei sehr oft auch fragwürdiges Verwaltungshandeln korrigieren können.

Unsere Region gilt als „Soziallabor“ im Ländle. Hier werden Entwicklungen in hoher Qualität vorausgedacht und umgesetzt, die nachher anderswo Schule machen – sei es in der Inklusion, in der Sozialpsychiatrie oder bei den Kindertagesstätten. Die Sozialwirtschaft ist nirgends stärker als in unserer Region – nämlich nach dem produzierenden Gewerbe zweitstärkster Wirtschaftszweig. Deshalb passe ich mit meiner Biografie und meiner vorparlamentarischen Berufserfahrung in diesen Wahlkreis wie in keinen anderen. Und deshalb kämpfe ich für neue Studienplätze in diesem Bereich – damit unsere regionale Besonderheit und Qualität nachhaltig erhalten und weiter entwickelt werden können.

Sehr gerne möchte ich, als Euer Kandidat im Wahlkreis und dann in der neuen grünen Landtagsfraktion, in der kommenden Wahlperiode an das Begonnene anknüpfen, den grünen Wandel verwurzeln und weiter entwickeln helfen: Mit meinen Erfahrungen und Vernetzungen mit Jugend-, Sozial- und Umweltverbänden, in den Ministerien und nicht zuletzt im Wahlkreis, mit Grünen und Nichtgrünen, mit einem durch viele Erlebnisse im landespolitischen Raum geschärften Gespür für den „richtigen Moment“ und die „stimmige Strategie“ sowie unverändert viel Energie und Freude an der Arbeit. Deren bisherige Resultate habe ich Euch in meinen Newslettern beschrieben. Sie sind alle weiterhin auf meiner Homepage www.thomasporeski.de abrufbar.

Wir haben, mit einem grünen Umfrageergebnis von landesweit aktuell 25 Prozent, gute Aussichten die grüne Erfolgsgeschichte in Baden-Württemberg fortzusetzen und unser Ländle sowie unsere Region weiter zu begrünen. Diese Chance sollten wir nutzen, am besten mit einem eindrucksvollen Auftakt bei der Nominierungsversammlung am 16. April um 20 Uhr im Sammys in Reutlingen.
In diesem Sinne bitte ich Dich sehr herzlich um Dein Kommen, um Deine Unterstützung und um Dein Vertrauen.

Ich habe, zusammen mit Euch, viel erreicht und noch sehr viel mehr vor!

Herzliche Grüße

Thomas Poreski