Seit ich im Landtag bin, bin ich in der Fraktion für das Querschnittsthema Inklusion zuständig. Das hat auch damit zu tun, dass ich zuvor Geschäftsführer in Mariaberg. Mariaberg war einer der ersten Träger der Behindertenhilfe, der es sich im Sinne der UN Behindertenrechtskonvention (UN BRK) zum Ziel gesetzt und mit vielfältigen Methoden und Instrumenten auch fachlich umgesetzt hat, dass auch Menschen mit starken Beeinträchtigungen über ihr Leben selbst bestimmen und am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben können.
Zukunftsfähige Politik ist integrativ und inklusiv – das zeigen zum Beispiel die PISA Siegerstaaten in der Bildung. Mir geht es darum Gelingensbedingungen dafür zu schaffen – damit Vielfalt sozial und ökonomisch ein Gewinn für alle wird und sich die Menschen in einer offenen Gesellschaft zuhause fühlen können. Dafür müssen wir auf allen Ebenen Teilhabe und demokratische Prozesse stärken – denn Demokratie wird nur gelernt, wenn sie erlebt und praktiziert wird.
Ein Meilenstein meiner parlamentarischen Arbeit war dabei 2015 das bis heute bundesweit fortschrittlichste Landesbehindertengleichstellungsgesetz. Dazu gehören die Geschäftsstelle des / der Landesbehindertenbeauftragten, die bei allen Gesetzesvorhaben beteiligt wird sowie vom Land bezahlte, unabhängige Behindertenbeauftragte in allen Stadt- und Landkreisen. Sie kümmern sich um Einzelanliegen von Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen und – in Kooperation mit der Landesbehindertenbeauftragten – auch um weitergehende Anliegen von Menschen mit Behinderungen. Dabei geht es beispielsweise um Menschen, die aufgrund von Long Covid / ME/CFS zu 100% schwerbehindert sind und es oft sehr schwer haben den Nachteilsausgleich zu bekommen, der ihnen nach der UN BRK zusteht.
Mit allen Landesbehindertenbeauftragten während meiner Mandatszeit – Gerd Weimer, Stephanie Aeffner, Simone Fischer und nun Nora Welsch – habe ich sehr eng zusammengearbeitet, etwa beim Landesaktionsplan Inklusion sowie beim Kompetenzzentrum Barrierefreiheit und bei vielen Gesetzen und Verordnungen.
Für die Aufmerksamkeit gegenüber ME/CFS Copyright: Thomas PoreskiEine Herausforderung ist die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes BTHG, bei dem ich ebenfalls ent mit unserer Landesbehindertenbeauftragten zusammenarbeite. Hierfür haben wir im Land mit unserem Bedarfsermittlungsinstrument BEI BW ein Verfahren vereinbart, das die Rechte der UN Behindertenrechtskonvention verwirklichen hilft. Leider sind weder alle Stadt- und Landkreise, noch alle Leistungserbringer der Behindertenhilfe auf das inklusive und auf Selbstbestimmung ausgerichtete Denken der UN BRK eingestellt. Viele hängen noch immer dem alten, gut gemeinten, aber bevormundenden Fürsorgeprinzip an. Deshalb kommt die praktische Umsetzung des BTHG zu langsam voran. Es wurde zudem durch vielfältige „Leistungssystematiken“ von Kostenträgern und Leistungserbringern extrem bürokratisch – was einer echten Selbstbestimmung wiederum im Weg steht. Immerhin haben wir inzwischen konstruktive Dialogformate eingeführt, die den Knoten Schritt für Schritt lösen können.
Ähnlich herausfordernd ist die Inklusion im Bildungsbereich. In den PISA Siegerstaaten ist sie selbstverständlich, bei uns trifft sie vielerorts auf ideologische Vorurteile. Dabei haben wir auch bei uns, seit wir im Schulgesetz 2015 das Recht auf Inklusion verankert haben, viele gute Beispiele für gelingende Inklusion an Kitas und Schulen. In beiden Fällen sind wir auf eine qualitativ hochwertige Sonderpädagogik in ausreichend ausgestatteten, multiprofessionellen Teams angewiesen – und auf ein entsprechendes Bewusstsein in den Regeleinrichtungen. Um Inklusion in der Bildung in der Fläche gut zu verankern, sind noch einige dicke Bretter zu bohren – daran mitzuwirken ist meine Aufgabe im Landtag. Immerhin haben wir in einem Modellversuch eine inklusive Fachberatung in den Kitas erprobt – und das so erfolgreich, dass wir diesen Modellversuch mit Landesmitteln jetzt in den flächendeckenden Regelbetrieb überführen.
Landesaktionsplan UN-BRK 2.0
- Herbst 2024: Landesaktionsplan 2.0 wurde zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vom Ministerrat beschlossen. Nun geht es um die Umsetzung.
Landeszentrum Barrierefreiheit
- 2022: das LZ-BARR hat seine Arbeit aufgenommen.
- Zweck: öffentliche Stellen, gemeinnützigen Trägern in Baden-Württemberg, Unternehmen mit Diensten von wirtschaftlichen Interesse und der allgemeinen Öffentlichkeit in Baden-Württemberg kostenfrei als Beratung zur Verfügung zu stehen.
- Aufgabenschwerpunkt: Beratung rund um das Thema digitale und bauliche Barrierefreiheit. Das heißt Probleme zu identifizieren, Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu finden.
- Es gibt außerdem im LZ-BARR eine kostenfreie, unabhängige und unparteiische Schlichtungsstelle mit dem Ziel einer niederschwelligen und außergerichtlichen Einigung in Situationen mangelnder Barrierefreiheit an öffentlichen Stellen.
Stellenpool und VwV Teilhabe
- 2024: Beschluss des Sonderprogramms für mehr schwerbehinderte Beschäftigte in der Landesverwaltung, den sogenannten Stellenpool.
- Erste Maßnahmen ist ein E-Learning-Schulungsprogramm zum Schwerbehindertenrecht und eine Präsenzschulung für Führungskräfte zum Thema inklusiver Haltung und Führungskultur.
- 2025: Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift der Ministerien, des Rechnungshofs und des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zur Teilhabe und Inklusion von schwerbehinderten Menschen in der Landesverwaltung (VwV Teilhabe). Ziel ist es, die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in der Landesverwaltung zu fördern und die Beschäftigungsquote wieder zu erhöhen.
Investive Förderung von dezentralen Wohn- und Betreuungsangeboten für Menschen mit Behinderungen
- Nach der VwV Dezentrale Angebote können Erwerb, Schaffung, Erweiterung, Umbau und Modernisierung und Betreuungsangeboten für Menschen mit Behinderungen investiv gefördert. Dies umfasst keine „Senioreneinrichtungen“, allerdings können Menschen mit Behinderungen, die bereits in einem solchen Wohnangebot leben, grundsätzlich trotzdem im Seniorenalter dort bleiben.
„Gemeinsam unterstützt und versorgt wohnen“
- 2021 und 2022: Förderprogramm "Gemeinsam unterstützt und versorgt wohnen" für ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderungen sowie Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf gestartet.
Förderung Familienentlastender Dienste (FED)
- Ziel: der Erhalt und die Weiterentwicklung eines landesweiten, bedarfsgerechten Angebotes an Diensten zur kurzzeitigen Betreuung von Menschen mit einer Behinderung, die alleine, mit dem Partner, in Familien, in privaten Wohngemeinschaften oder im Ambulant Betreuten Wohnen leben.
Förderung Interdisziplinärer Frühförderstellen
- Ziel: der Erhalt des hohen Standards der Frühförderung in BW, eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung sowie das Angebot von niederschwelligen Zugängen zur Frühförderung.
Projektförderung „Impulse Inklusion“
- Ziel: Inklusionsgedanken mit kleineren Projekten vor Ort ins Land zu tragen und die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger auf dieses Thema zu lenken.
Förderung „Toiletten für Alle (TofA)“
- Ziel: Einrichtung von Toiletten mit einer Ausstattung für Menschen mit komplexen Behinderungen, um Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erleichtern.
- Gefördert werden können Ausstattungsgegenstände (höhenverstellbare Pflegeliege, (luftdicht) verschließbarer Windeleimer, Patientenlifter).
Förderung von Selbsthilfegruppen und deren Verbände auf dem Gebiet der Hilfen für Menschen mit Behinderungen
Die jährlichen Zuschüsse des Landes unterstützen Selbsthilfegruppen bzw. deren Verbände institutionell bei ihrer Arbeit für Menschen mit Behinderungen:
- die LAG Selbsthilfe
- der Landesverband der Lebenshilfe
- der Landesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte
- der Landesverband der Gehörlosen für die Finanzierung von Gebärdensprachdolmetscherkosten und sonstigen Kommunikationshilfen bei Elternabenden an Schulen und seit 2025 auch bei Elternabenden in Kindertageseinrichtungen für hör- und sprachbehinderte Eltern nicht hör- und sprachbehinderter Kinder einzusetzen sind),
- der Landesverband der AMSEL
- die LAG Werkstatträte